Die erste Stadtratssitzung der neuen Legislatur liegt hinter mir, auf den Tag genau 5 Jahre nach meiner ersten Sitzung überhaupt. Von ca. 18 Uhr bis 23:30 (!) ging es um die eigentlich üblichen Formalitäten. Zuerst also der Verpflichtung der Gewählten durch den Bürgermeister und die Bekanntgabe der Fraktionen. Ich bin nun offiziell Teil der Fraktion „SPD/Aktiv für Greiz, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen“ – bestehend aus den 6 gewählten Menschen eben jener Parteien. Stephan Marek ist Fraktionsvorsitzender, Stellvertreterin Ines Wartenberg. Der Fraktion CDU/Gemeinsam für Greiz sitzt Christian Tischner vor (stellvertretend: Tina Barth), bei der IWA macht es Philip Wünsch (Stellvertretung: Andrea Jarling) und bei der AfD wie erwartet Torsten Röder (Stellvertretend: Chemtrail-Corona-Cornelia).
Nächster wichtiger Punkt war die Wahl der Vorsitzendem plus Stellvertreter*innen des Stadtrates. Gewählt wurde Holger Steiniger (unsere Fraktion) und Petra Hofmeister (CDU). Danach folgten die Beigeordneten des BM, hier wurde gewählt Jens Bräunlich (CDU) und Andrea Jarling (IWA). Auch hier schon reichlich Grummeln von den Undemokraten der AfD, die für die meisten Posten ebenfalls Kandidierende vorschlugen. Interessant zu beobachten war, dass dort die Zusammenarbeit zwischen IWA und AfD (oder kurz IWAfD) schon Risse zeigte, da deren Kandidierende immer wieder weniger Stimmen hatten, als die beiden Fraktionen zusammen eigentlich liefern müssten.
Dann folgte die Diskussion um die Geschäftsordnung des Stadtrates. Für alle, die nicht so im Thema stecken: Diese GO regelt die grundsätzlichen Arbeitsabläufe im Stadtrat, Dinge wie die Sitzungsleitung, Anträge, Abstimmungen, Wahlen, die Bildung von Ausschüssen usw. und bildet die Grundlage für die Tätigkeit aller Abgeordneten. Oder anders: Was nicht in der GO steht, kannste nicht machen. Am Beginn jeder Legislatur gibt sich der neue Stadtrat eine neue GO mit einfacher Mehrheit, spätere Änderungen brauchen eine 2/3-Mehrheit.
Wie üblich gab es dort eine Vorlage der Verwaltung (bzw. des Bürgermeisters). Im Prinzip die etwas modernisierte Version der Geschäftsordnung der vergangenen Periode anhand eines Musters des Städte- und Gemeindebundes. Die AfD hat … ja was eigentlich … einen Entwurf einer Geschäftsordnung (im Großen und Ganzen das selbe Dokument wie bereits 4 Jahre zuvor) an die Verwaltung geschickt. Nicht als Antrag oder Vorlage für den Stadtrat sondern sozusagen mehr oder weniger formlos. Die Verwaltung hat das Dokument dennoch mit an die eigene Vorlage angehängt und eine Anwaltskanzlei drüber schauen lassen. Laut Beurteilung des Anwalts (der Text ist wie gesagt 4 Jahre alt und wurde damals schon für unzureichend befunden) enthielt die AfD-GO sowohl potentiell rechtswidrige Passagen (wie z.B. dass das Tragen von politischen Botschaften auf Kleidung mit Ordnungsruf bishin zum Entzug des Rederechts geahndet werden soll – wie kommt man nur auf solche Ideen 😉 ), teils widersprüchliche Angaben, viel überbürokratisches Klein-Klein, eine mangelhafte Struktur mit Vermischung verschiedener Themen in unterschiedlichen Paragrafen und die Einführung von für die kommunale Ebene etwas abwegigen Begriffen.
Es gab dann erstmal etwas Hin und Her, was man nun mit dem Dokument macht, ich habe dann einen Vorschlag zum Verfahren gemacht und das Ding wurde dann als Änderungsantrag behandelt. Zwischendurch wurde noch beschlossen, dass die 10-seitige Stellungnahme zur AfD-GO 30 mal ausgedruckt und allen ausgehändigt werden soll. Die kam wohl erst am Vorabend und darauf war man seitens der Verwaltung nicht wirklich vorbereitet… Aber ne halbe Stunde Pause ist auch mal ok. Naja nach reichlich zwei Stunden würde dann die AfD-GO als Ganzes zurückgezogen. Der Entwurf der GO der Verwaltung wurde dann Paragraf für Paragraf – Absatz für Absatz durchgeackert. An vielen Stellen kam es dann zu kleineren Änderungen, auch durch unsere Fraktion.
Eine ganz wesentlich Änderung und der eigentliche Aufreger war dann die Änderung der Ausschussbestzungen. Statt 6 Stadträtinnen plus Bürgermeister sollten in Zukunft 5 + BM in den Ausschüssen sitzen. Kann man demokratietheoretisch drüber streiten, wichtig ist allerdings, dass die Ausschüsse die Mehrheiten im Stadtrat einigermaßen näherungsweise abbilden. Begründet wurde dies damit, dass auch im Stadtrat jetzt eine Fraktion weniger vorhanden ist. Kann man machen.
Wir als Fraktion bilden knapp 20% der Wählerstimmen ab – macht je 1 Sitz pro Ausschuss. Die CDU hat ca. 37,5% erreicht. Macht 2 von 5 Sitzen für diese. IWAfd kommen zusammen auf etwa 42% – macht auch 2 Sitze. Die Verteilung geht also ziemlich gut auf, genauer wird es nur mit wesentlich (!) mehr SItzen. Nach der alten GO mit 6 Sitzen je Ausschuss hätte die AfD einen weiteren Sitz erhalten, und darüber regen sie sich auf. Dass das aber durchaus eine merkwürdige Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse gewesen wäre, wenn man mit 26,9% genauso viele Sitze wie die größte Fraktion mit 37,5% erhält, passt natürlich nicht ins Demokratie-Verständnis der IWAfD. Mal abgesehen davon, dass man tatsächlich Sitzungsgelder spart. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die AfD-GO forderte, monatlich Stadtratssitzungen zu veranstalten – nicht unerhebliche Mehrkosten, die in diesem Fall merkwürdigerweise nicht interessieren – wo doch sonst immer gespart, gekürzt und beispielsweise Kultur zusammen gestrichen werden soll…
Sei es drum – die GO wurde nach zäher Sitzung dann endlich beschlossen. Durch die Änderung der Ausschussgröße ergibt sich auch die Verkleinerung der Aufsichtsräte bei den kommunalen Unternehmen. Da diese entsprechend ihre Satzungen anpassen müssen, konnte dieser Punkt vertagt werden – aber so gegen Mitternacht hatte eh kaum noch wer die Kraft und Nerven weiter zu machen.
Die IWAfD drohte mit Klagen, warf den Vertreter*innen der demokratischen Parteien undemokratisches Verhalten vor, krakeelte etwas davon, dass die Brandmauer weg müsse. Letztlich wieder ein Beweis, dass sie die Demokratie nur wollen, solange sie sie aussnutzen können. Da vielleicht noch der Hinweis, dass die Geschäftsordnung der AfD vorsah, die Aufsichtsräte der kommunalen Unternehmen ohne Abstimmung (bzw. Zustimmung des Stadtrates) beliebig besetzen zu können. Da störte die Demokratie wohl doch wieder…
Es bleibt spannend.
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