Heller Weg – Geschichte eines Konzentrationslagers im Donbass 2017-2019

Stanislav Aseyev, Journalist und der Autor dieses Buches, verbrachte 2017-2019, bis er durch einen Gefangenenaustausch freikam, 28 Monate unter absolut unmenschlichen Bedingungen im Foltergefängnis am Standort Heller Weg 3 in Donezk. Er hatte aus den selbsternannten Volksrepubliken im Donbass berichtet und unter anderem das „Verbrechen“ begangen, den Ausdruck Volksrepubliken in seinen Berichten in Anführungszeichen zu setzen – aus Sicht der Besatzer eine Delegitimierung ihrer Staatsgebilde (damals von keinem Staat, nicht einmal Russland anerkannt). Wegen „Extremismus“ sowie „Spionage“ sollte er mindestens 15 Jahre in Haft verbringen.

Ich habe dieses Buch bereits seit Beginn der vollständigen Invasion Russlands in der Ukraine hier liegen, einige Male begonnen, es zu lesen und es immer wieder weggelegt. Es ist emotional sehr belastend und bietet schmerzhafte Einblicke in das verbrecherische Unterdrückungsregime, dass bereits ab 2014 in den russisch besetzten Gebieten der Ostukraine unter Führung russischer Geheimdienste in der „DVR“ (Donezker Volksrepublik) installiert wurde.

Versteht das bitte auch als Triggerwarnung für die folgenden Zeilen.

Heller Weg 3 in Donezk war die Adresse, an der sich der Fabrik „Izolyatsia“ befand, die zu Sowjetzeiten Dämmstoffe und Isolationsmaterial herstellte. Nach dem Ende der UdSSR geriet die Fabrik in eine schwere Krise und schloss. Auf dem Gelände entstand die gleichnamige, ukrainische Kunst- und Kulturstiftung., die 2014 nach der Einnahme Donezks durch russisch kontrolliertes Militär nach Kyiv flüchtete. Seitdem befindet sich dort ein Militärstützpunkt inkl. eines der Foltergefängnisse der russischen Sicherheitsdienste im Donbass – genannt „Isolation“. Dieses Gefängnis fällt in keine Kategorie, es existiert offiziell gar nicht, und trotzdem: Hunderte wurden dort interniert, systematisch erniedrigt und gebrochen, einige getötet – monatelang mit Plastiktüte über dem Kopf, mit elektrischem Strom an Hodensäcken, von denen sich die Haut abschält – das alles im Bombenkeller der ehemals sowjetischen Fabrik mitten in der Stadt.
Was Aseyev und seine Mitgefangenen erlebt und durchlitten haben, übersteigt an vielen Stellen die menschliche Vorstellungskraft. Systematische Folter mit Elektroschocks an Zehen, Fingern und Hoden, Mangelernährung, Demütigung, Erniedrigung, Vergewaltigung und widrigste hygienische Zustände waren (und sind es vermutlich bis heute) die Mittel, um die Gefangenen zu brechen – völlig frei von jeglichen Skrupel, völlig ohne Moral und Empathie. Dabei ging es auch nicht um Verhöre, nicht darum, Informationen aus den Gefangenen heraus zu pressen, sondern schlicht darum, Menschen zu brechen.

Aseyev berichtet anschaulich über unterschiedliche Aspekte seiner Inhaftierung unter diesen Umständen und reflektiert dabei Gedanken an Widerstand, an Suizid, Flucht, sexuelle Gewalt und spirituelle/religiöse Fragen im Rahmen eines Lebens unter derart unmenschlichen Bedingungen. Auch das Trauma, das er und viele andere davon tragen, das Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens, die innere Einsamkeit mit diesen Erfahrungen, die Unmöglichkeit, das Geschehene Außenstehenden begreifbar zu machen veranschaulicht Aseyev.

Die Lektüre hilft auch, zu erfahren und zu verstehen, was in den besetzten Gebieten der Ukraine schon seit 2014 im Namen Russlands geschieht und wie dort systematisch gefoltert und erniedrigt wird. Sie hilft zu verstehen, warum ein wie auch immer gearteter Waffenstillstand oder Friedensschluss zwischen der Ukraine und Russland für die Menschen in den besetzten Gebieten eben alles andere als wirklichen Frieden bedeutet.

Hier das Buch bei buecher.de:
https://www.buecher.de/shop/konzentrationslager/heller-weg-geschichte-eines-konzentrationslagers-im-donbass-2017-2019/aseyev-stanislav/products_products/detail/prod_id/62656827/

Neuere Übersetzung bei Suhrkamp:
https://www.suhrkamp.de/buch/stanislaw-assejew-heller-weg-donezk-t-9783518128039

Bildquellen

  • Foto vom Buch „Heller Weg“: Bildrechte beim Autor

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