So  trug es sich zu, in jüngster Vergangenheit, dass meine Wenigkeit  friedlich bei Schweinchen in fettiger Panade in einem örtlichen  Schnellrestaurant in der Stadt Zwickau verweilte. Und nein, jenes  Schnellrestaurant war keines der bekannteren, keines der Gebrüder  Donald, sondern was kleineres ohne weltweitverzweigtes Filialnetz.  Tatsächlich befand es sich in unmittelbarer Nähe zu einer öffentlichen  Einrichtung, deren Hauptaufgabe die Erniedrigung Arbeitssuchender zu  sein scheint. Am Nebentisch dinierte eine Dame fortgeschrittenen Alters,  die Statur und allgemein die physische Verfasstheit liesen ein Faible  zu den dargebrachten Speisen erahnen. Mit am Tisch, jedoch  verwunderlicherweise momentan nicht mit der Nahrungsaufnahme sondern mit  dem Konsum eines weit verbreiteten und offenbar für Leser mit  allerhöchstens unterdurchschnittlicher Sehkraft zugeschnittenes, weil  sehr groß´belettertes Druckerzeugnis beschäftigt, befand sich eine  wesentlich jüngere Version der alten Dame. Diese wiederum war nicht nur  im gebärfähigen Alter, sondern offenbar drauf und dran, diese  theoretische Zuschreibung in sehr naher Zukunft dem praktischen Beleg  zuzuführen. Anhand der mir entgegen fliegenden Wortfetzen rekonstruierte  ich, dass es offenbar den kürzlich erworbenen qualifizierten  Hauptschulabschluss zu feiern gab, mutmaßlich der krönende Abschluss  einer zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt gedachten Maßnahme der in der  Nähe befindlichen, bereits erwähnten, öffentlichen Einrichtung. Die  jüngere Dame, nennen wir sie der Einfachheit halber Mandy, sprach nun zu  der älteren Dame, nennen wir sie der Übersichtlichkeit wegen Kevin,  also Mandy sprach zu Kevin, bezugnehmend auf das groß beletterte  Druckerzeugnis :
 „Du sach ma, die Beate, die hat doch goar nüschd  gemacht. Keene Waffe, nüscht. Und kriescht jetzt lebensläänglich. Das  kann doch nüsch sein“. Worauf Kevin… ach, nennen wir sie der  geschlechterspezifisch korrekten Zuordenbarkeit halber lieber Gerda.  Also Oma Gerda antwortete in der ihr eigenen urigen, sächsisch  verschrobenen und schwer in Textform wiederzugebenden Art:
 „Das versteh isch och nüsch. Na die wolln wo nen Exem … *unverständlichesGebrummel*…  Aber hier den Böhnhardt und den Mundlos, die kenn isch ja och. Also  kennen. Zumindest saßen mir ma mit denen im selben Wohnzimmor. Am selben  Couchtisch. Die warn eigentlich ganz liebe Kerle. Aber wo de das später  dann gehört hast, is mir ja erstma bissl schlecht gewordn …  *unverständliches Geblubber*… „. Mandy nickt zustimmen. Gerda ergänzte  noch : „Naja die Beate und so, die gehn ja och noch in Revision…“.
  Dem weiteren Gespräch der beiden Sachsenmädel konnte man aufgrund der  durchaus beträchtlichen und stark schwankenden Grundlautstärke, der  Tontechniker würde sagen: Atmo; nur noch schwer folgen. Es schien sich  jedenfalls ohne große Umschweife wieder um den Abschluss und den  weiteren Plan für den Verlauf des Lebens der Jüngeren und des Tages der  Älteren zu drehen.
 Dem geneigten Beobachter drängen sich allerdings Fragen auf.
 1. Ist Zwickau wirklich so klein?
 2. Warum genau ist Gerda schlecht geworden?
 3. War das ein Fließentisch?
#zwickau #nsu #keinschlussstrich #wtf
Der Text entstand am 12. Juli 2018, am Tag nach Verkündung des Urteils im NSU-Prozess.
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